Premiere Flèche Nationale Allemagne
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ERSTER BUNDESWEITER DEUTSCHER FLÉCHE
( Erlebnisbericht von Rainer Paffrath)
Mitte April ist endlich die schlagkräftige Truppe aus dem Westen beisammen: eine Multikultitruppe aus einem Amerikaner, einem Holländer und einem Deutschen!
Der erste Flèche in Deutschland ist ein Ereignis. Wir übernehmen, nachdem in Deutschland bereits jahrelang Brevets veranstaltet worden sind, eine besonders traditionsreiche Veranstaltungsform der Franzosen, die insbesondere die Internationalisierung der kommenden Jahre stärken wird. Seit Oktober 2004 bereiten wir uns darauf vor. Mindestens 360 km in 24 h mit dem gemeinsamen Ziel in Eisenach, dem geographischen und kulturellen Zentrum Deutschlands. Start in kleinen Teams (3-5) von unterschiedlichen Startorten in Deutschland aus - auch mit leicht sportlichem Charakter, denn die Teams mit den höchsten Kilometerleistungen werden ausgezeichnet. Im Vordergrund steht aber die Teamleistung und das Zusammentreffen der Randonneure in Eisenach.
Die Strecke ist fein ausgeklügelt. Zuerst von Siegburg aus ein Stück Richtung Nord-Nord-Ost, das aus den Brevets bekannt ist, bis nach Lippstadt. Dann das unbekannte Mittelstück über Paderborn Richtung Osten, das uns mit Windunterstützung bis zur Weser bringen soll. Das restliche Stück dann schließlich an Weser und Werra entlang. Das hat den Vorteil, dass man nachts nicht nach dem Weg suchen muß, weil es an den Flussläufen entlang geht.
Wir hatten ausgemacht, uns am Vorabend bei mir in Siegburg zu treffen, um bei einem gemütlichen Abendmahl die Tour zu besprechen. Bram trifft pünktlich mit dem Fahrrad aus Groningen ein. Nummer 3 läßt leider auf sich warten, trifft auch leider bis zum Start am nächsten Morgen nicht ein. Damit ist klar, dass unser Team nicht gewertet werden wird. Dennoch machen Bram und ich uns nach einem ausgedehnten Frühstück auf den Weg, denn wir wollen den ersten deutschen Fleche nicht versäumen - dabei sein ist alles!
Herrliches Wetter zum Start. Wir kommen sehr gut voran, sind von Anfang an ein gutes Team. Bram schleppt ca. dreimal mehr Gepäck mit als ich. Auf der Hinfahrt von Groningen aus hat er in Bocholt bei Rose Station gemacht, um Ketten, Pedale u.v.m. einzukaufen. Das macht sich bergauf bemerkbar, aber nicht besonders stark. Kaum auszudenken, wenn man mit Bram ohne viel Gepäck fahren müsste. Das könnte leicht sehr schweißtreibend werden!
Erste Station beim Italiener in Altena. Wir tanken Kohlehydrate und machen uns auf den Weg nach Lippstadt. Das hügelige Gelände wird endlich flacher. Das Wetter zieht sich zu, die ersten Regentropfen. Glücklicherweise hält es sich bis zum nächsten Morgen recht tapfer, es gibt nur einzelne leichte Schauer. Die Windstrategie geht einigermaßen auf, denn ab Lippstadt hindert der Wind deutlich weniger als auf dem ersten Teilstück.
Ab Lippstadt bis zur Weser weist uns GPS den Weg. Ein unglaublicher Vorteil, denn wir fahren keinen einzigen Umweg. Selbst durch Paderborn weist uns der kleine Helfer zweifelsfrei und schnell den Weg. In NRW gibt es eine Homepage, die einem nach Eingabe von Start- und Zielort einen Routenvorschlag macht. Die Route kann dann direkt im GPS-Gerät eingespeichert werden. Vorteil: wir fahren sehr schöne, entlegene Fahrradstraßen, die vollkommen frei von Verkehr sind. Nachteil: die Straßen sind so entlegen, dass kein richtiger Fahrtfluß aufkommt, da wir immer von einer winzigen Straße in die nächste winzige Straße biegen müssen.
Zweiter Stopp wieder beim Italiener. Diesmal ein Nobelitaliener in Lippstadt. Die wundern sich etwa über unseren Aufzug und über unseren Appetit. In den gekachelten Räumen gibt es ein Duftfläschen. Bram nebelt sich gleich ein - eine deutliche Verbesserung gegen den unvermeidlichen Schweißgestank. Bram nebelt sich so stark ein, dass der Duftvorrat bis Eisenach anhält...
So langsam wird es dunkel. Im Teuto(burger Wald) kommen wir nicht so recht voran. Erst 50% der Strecke in 50% der Zeit zurückgelegt. Angesichts der Tatsache, dass man mit zunehmender Fahrtdauer nicht unbedingt schneller wird, eine heikle Angelegenheit. Wir beschließen, konzentriert weiter zu fahren, dann kann nichts passieren. Wir sind schließlich stark genug, haben nur zu lange Pausen gemacht. In Beverungen stoßen wir endlich auf die Weser. In einem Hotel nehmen wir eine letzte Stärkung vor der Nachtetappe. Die Gäste mustern uns ungläubig. Was, aus Siegburg kommt Ihr? Was, nach Eisenach wollt Ihr? Ihr seid wahnsinnig!
Nö, sind wir nicht. Nur Randonneure ....
Die Etappe an der Weser ist gnadenlos langweilig. Nach dem Wechsel an die Werra in Hannoversch Münden wird auch nicht viel besser. Zunehmender LKW-Verkehr an der Werra, der gegen Morgen immer stärker wird.
Aufgrund unseres guten Tempos brauchen wir uns keine Sorgen mehr um das rechtzeitige Eintreffen in Eisenach zu machen. Im Gegenteil, in einer Tankstelle bleiben wir eine ganze Stunde, um später bei der 7 Uhr-Kontrolle nicht in der Kälte warten zu müssen. Wir erfahren, dass bereits Randonneure hier gewesen sind, die aber nicht auf direktem Wege nach Eisenach unterwegs waren.
Schließlich nach dem 7 Uhr-Stempel das letzte Teilstück nach Eisenach. Womit haben wir das verdient? Starker Dauerregen garniert mit heftigem Verkehr. Bram platz fast der Kragen. Wir kommen nur im Schneckentempo voran. Jetzt wird es auch noch ziemlich eng mit der 9 Uhr-Zeit! Trotz heftiger Gegenwehr der LKW kommen wir in Eisenach an. Die Anfahrt zur Wartburg erinnert stark an das Brocken-Trauma, das uns Claus alle 4 Jahre zumutet. Werden wir es bis 9 Uhr zur Burg hoch schaffen? Die letzten Meter gehen wir zu Fuß. Für Genießer: nein, Sidi-Schuhe mit Look-Pedalen sind nicht das geeignete Schuhwerk für eine Besteigung der Wartburg! Die Wartburg ist ein einzigartiger Ort für ein Flèche-Ziel.
Bram im Gespräch mit Bob Lepertel
Freundlich werden wir von Auli, Heidi und Tina empfangen. Jetzt ist Bram doch etwas sauer, dass wir nicht gewertet werden. Ein bisschen nachvollziehbar, denn er hat mit seiner Tour von Groningen aus einiges geleistet. Deswegen freuen wir uns umso mehr, dass wir beim anschließend Zusammentreffen trotzdem die tolle Medaille erhalten.
Wow, eine tolle Medaille!
Das Zusammentreffen der Randonneure ist beeindruckend. Es handelt sich um den Kern der deutschen Randonneure mit einem Gast-Team aus Schweden. Durchweg freundliche und zufriedene Gesichter. Ich glaube, alle sind sich einig, dass es ein tolles Erlebnis war!
Bram und ich sind zwar nicht in der Wertung, wurden aber trotzdem mit Medaille geehrt!
Ein besonderes Ereignis ist, dass Suzanne und Bob Lepertel eigens aus Paris angereist sind, um uns an der Wartburg zu empfangen und die „Siegerehrung" vorzunehmen. Bob Lepertel hat mehrmals PBP organisiert und ist der Architekt der weltweiten Randonneur-Bewegung. Damit hat er sicherlich mehr für die Völkerverständigung geleistet als manch anderer Politiker! Wobei die treue Mitarbeit seiner Frau dabei keinesfalls zu unterschätzen ist. Mit ihren je 80 Lenzen haben sie sich nun nach Eisenach aufgemacht - eine ganz besondere Ehrung für die deutschen Randonneure!
V.l.n.r.: Suzanne Lepertel, Claus Czycholl, Bob Lepertel
Fazit: Bob Lepertel sagte, dass nur starke Organisationen einen Flèche organisieren können. Wir deutschen Randonneure bestätigen damit unsere tolle positive Entwicklung der letzten Jahre. Bram und ich waren ein tolles Team - nächstes Jahr sind wir wieder am Start, dann aber mindestens zu dritt!
Rainer Paffrath, 3. Juni 2005