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West Coast Trail - Kanada - August 98
Eine abenteuerliche Tour an der Westküste von Vancouver Island
12. August bis 27. August 1998


Am Strand bei Trasher Cove

Endlich ist es soweit – seit nunmehr ca. 2 Jahren haben wir unsere Tour auf dem West Coast Trail geplant. Wir, daß sind Rosi, 35 Jahre aus Raitenbuch in Bayern und Andrea, 39 Jahre aus Baden-Baden. Ein lange gehegter Wunschtraum sollte in Erfüllung gehen.

Es handelt sich um einen Pfad an der Westküste von Vancouver Island. Angelegt wurde der Trail Anfang dieses Jahrhunderts als einfacher Rettungsweg für Schiffbrüchige. Da an diesem Teil der Pazifikküste sehr viel Nebel herrscht, sind um die Jahrhundertwende viele große Schiffe auf dem Weg durch die Juan-de-Fuca-Strait nach Vancouver oder Seattle in die Irre geraten und an der Küste leck geschlagen und verunglückt. Die Schiffbrüchigen die sich an Land retten konnten, büßten oftmals dort ihr Leben ein, da durch den dichten Küstenregenwald und die engen Talschluchten kein Weiterkommen war. Manchmal waren die Verunglückten nur wenige Kilometer vom nächsten Indianerdorf und somit der Rettung entfernt, hatten jedoch keine Chance dahin zu kommen. Seit den siebziger Jahren wurde der Pacific Rim Nationalpark angelegt und in diesem Zusammenhang der West Coast Trail wieder soweit hergerichtet, daß erfahrene Hiker auf diesem Pfad den Küstenregenwald erkunden können.

Die Anzahl der Hiker wird durch die Nationalpark-Verwaltung streng limitiert. So dürfen täglich von beiden Seiten des Trails nur je ca. 25 Personen loswandern, zusätzlich noch 12 Personen am neu geschaffenen Trailhead an der Nitinat Narrow. Zwei Drittel dieser Plätze werden durch ein telefonisches Reservierungssystem vergeben. Es besteht immer die Möglichkeit 3 Monate vor dem gewünschten Termin sich seinen persönlichen Startplatz reservieren zu lassen. Die restlichen Plätze werden nach der Reihenfolge des Erscheinens direkt vor Ort vergeben.

Nachdem wir in unseren Familien die Machbarkeit der Reise durchgesprochen hatten, wurde ein Termin vereinbart. Uns war bewußt, daß es sich mit diesem anspruchsvollen Trail um eine einmalige Tour handeln wird und entsprechend gut haben wir uns darauf vorbereitet und geplant, was wir alles mitnehmen müssen. Langsam habe ich die Ausrüstung ergänzt, immer dann zugegriffen, wenn etwas im Sonderangebot war. Es waren doch einige Dinge, die zusätzlich angeschafft werden mußten, wie Wasserfilter, Poncho, ein leichtes 2-Personen-Zelt, ein leichter Kunstfaserschlafsack, Gore-tex-Gamaschen und einige andere Dinge.

Im November 97 wurde sofort nach Erscheinen der Reiseprospekte der Flug mit Air Transat, einem günstigen kanadischen Charterunternehmen gebucht und am 15. Mai versuchte ich eine Reservierung für den Trail in Kanada zu machen. 10 Minuten nach Freigabe der Telefonnummer - leider schon ausgebucht, am nächsten Tag schaffte ich es, nun stand fest: Wir werden am 16. August den West Coast Trail beginnen.

Das Kraft- und Ausdauertraining begann bereits zum Jahresanfang. Ich hatte bei jeder Gelegenheit die Trage mit Caterina (2 Jahre) auf dem Rücken (zusammen auch schon ca. 15 kg) und ab Februar begann ich mein Fahrradtraining. Fast täglich bin ich an der Maschine und schaffe so bis zum August knapp 2800 km in ca. 100 Fahrstunden. So gut trainiert war ich schon seit Jahren nicht mehr. Andrea trainiert im Fitneßcenter und entwickelte ungeahnte Kräfte. Soweit kann es nun also losgehen. Die Zeit vergeht im Fluge und plötzlich ist es August.

Der Abschied von meiner Familie ist zum Glück ohne Probleme. Caterina versteht noch nichts vom großen Abschied und Adrian (9 Jahre) ist sehr verständig, er schätzt die zwei Wochen als nicht so lange ein. Mein Mann Andreas wünscht mir alles Gute und hofft in erster Linie, daß nichts Unerwartetes passiert. Am 11. August gegen abend fahre ich mit einem mächtigen Kribbeln im Bauch nach Baden-Baden zu meiner Freundin Andrea und ihrer Familie.

Wir sitzen noch einige Zeit bei der Besprechung. Da wir uns seit Juni nicht mehr getroffen haben, wurde vieles telefonisch abgeklärt und auch die Ausrüstung ist noch nicht verteilt, das meiste liegt in meinem Auto und muß sortiert und auf die Rucksäcke verpackt werden. Das ist unsere Aufgabe am nächsten Morgen. Wir sitzen zusammen vor einem großen Berg von Dingen, jedes Stück wird noch mal auf die Notwendigkeit kontrolliert – schließlich sollen wir alles auf unserem Rücken tragen. Einiges sortieren wir aus, statt 12 kg Lebensmitteln haben wir nun nur noch 11 kg. Eine kurze Kontrolle mit der Waage ergibt, beide Rucksäcke wiegen ca. 19 kg, ganz schöne Brocken für die Tour im Regenwald.

Um 15.30 soll der Shuttlebus kommen, der uns zum Flughafen nach Frankfurt bringt. Eine Stunde vorher hat Tobias (11 Jahre) plötzlich Windpocken am ganzen Körper – das geht ja gut los. Katharina (7 Jahre) wird unruhig und heult, weil ihre Mutter nun für einige Zeit weg ist. Thomas, der zurückbleibende Ehemann ist voll beschäftigt. Turbulent geht es zu, als wir das Haus verlassen.

Am Flughafen einchecken, 39,5 kg zusammen wiegen unsere Rucksäcke – perfekt bei je 20 kg Limit, und bald geht es los. Wir sitzen Reihe 40, eng wie die Sardinen, so ist das nun mal bei den Charterflügen – aber billig wars. Nach 10 Stunden Flug der Sonne hinterher, ohne Schlaf und unbequem landen wir um 20.45 Uhr Ortszeit in Vancouver. Das kanadische Lebensgefühl hat uns wieder, der neue Airport ist großzügig, es geht ohne Hektik durch Passkontrolle und Zoll. Am Infostand im Flughafen besorgen wir uns ein Zimmer für diese Nacht gleich um die Ecke im Delta Airport-Hotel. Der Shuttlebus bringt uns hin und um 22.00 Uhr sitzen wir bereits in unserem Zimmer.

Nach einer kurzen Nacht wachen wir um 4.00 Uhr mit dem Sonnenaufgang auf, der Jetlag macht uns Probleme. Es wird ein sonniger Morgen, nach dem Frühstücksbuffet fahren wir mit dem Airport-Bus zum Delta-Resort-Hotel, denn direkt dort fährt der Bus der Pacific Coach Line ab mit Ziel Downdown Victoria auf Vancouver Island. Der Bus fährt ca. 1 Std nach Tsawassen, dem Fährhafen im Süden Vancouvers und dort auf die BC Ferry, die uns in ca. 90 Minuten zur Swartz Bay auf der Insel bringen wird.

Die Fahrt durch die Kanalinseln bei sonnigem Wetter ist schon eine kleine Kreuzfahrt. Viel gibt es zu sehen, Segelboote, Inseln mit kleinen Häuschen, Strände und plötzlich eine Durchsage von der Kommandobrücke: Eine Schule von Orca-Walen kommt uns entgegen. Es ist beeindruckend, wie die insgesamt ca. 15 Tiere schwimmen, auftauchen, springen und dann zwischen den Inseln verschwinden. Einheimische erzählen uns, daß dieses Erlebnis jedes Jahr nur einige wenige Male vorkommt.

Viel zu schnell sind wir im Hafen und fahren die restliche Strecke mit dem Bus nach Victoria zum Busdepot. Die Lage ist zentral nur ca. 15 Minuten zu Fuß zu unserem Bed & Breakfast, daß ich bereits vorher im Internet für zwei Nächte reserviert habe. Aber auf dieser Strecke merken wir erst, wie schwer uns die Rucksäcke drücken, wir sind fix und fertig als wir bei Marketa, einer jungen Künstlerin aus Prag ankommen, die zusammen mit Tim dem Computerprofi das Bed & Breakfast führen.

Nun erst mal in die Innenstadt. Victoria ist sehr britisch, wir machen erste Einkäufe, Mitbringsel für zu Hause, suchen in mehreren Campingläden nach "White Gas" (Reinbenzin) für unseren Kocher und beobachten Künstler im Hafen. Abends sehen wir das erleuchtete Parlamentsgebäude direkt am Hafen, ein riesiges Gebäude im englischen Stil der Jahrhundertwende. Es wirkt wie eine Disney-Burg, ob das Respekt vor der Regierung gibt?

Am nächsten Morgen ein tolles Frühstück, aus der großen Auswahl entscheiden wir uns für Eggs Benetict und Eggs Florentine, dazu frisch gebackene Blaubeermuffin, Saft und Kaffee bis zum Abwinken. Super, das Frühstück ist so reichlich, daß wir sogar das Mittagessen auslassen. Danach wieder Stadtbummel und wir beschließen dann unsere Rucksäcke noch einmal auf alle Notwendigkeiten zu überprüfen. Der Lebensmittelbeutel schrumpft auf nunmehr 9 kg Inhalt – das muß reichen, die Kleidung wird noch mal reduziert und einige andere Kleinigkeiten – für was brauchen wir beide je eine kleine Tube Shampoo, oder 2 Haarbürsten? – werden weggelegt. Schließlich haben wir ca. 4 kg eingespart, aber durch Benzin und Trinkwasser sind wir wieder bei zwei Rucksäcken mit je knapp 20 kg. Die restlichen Sachen mit unseren Einkäufen können wir bei Marketa bis zu unserer Rückkehr einstellen, wir buchen gleich die beiden Nächte vor unserem Abflug, da es uns so gut gefällt. So oft , wie an diesen beiden Tagen habe ich noch nie zum Himmel geschaut, um die Wolken im Westen zu beobachten. Oft geht uns durch den Kopf, wie wohl das Wetter auf dem Trail sein wird. Abends ein ungewöhnlicher Sturm über der Hauptstadt, ist das ein schlechtes Zeichen? Wir gehen noch zu Pizza-Hut, die Pizza war viel zu groß und wir nehmen die Hälfte mit.

Am nächsten Morgen (15.08.) wieder fürstliches Frühstück: Muffin und Pancakes mit Früchten, Schlagsahne und Ahornsirup – wir schlagen uns den Bauch voll, so köstlich ist es. Und dann schleppen wir unsere Rucksäcke wieder zum Busdepot, denn um 9.30 Uhr geht der Bus nach Port Renfrew zum Startpunkt des Trails. Wir sitzen mit 5 jungen Mädels, einem deutschen Vater mit zwei 18 und 23-jährigen Söhnen und einem jungen Paar im Bus, alle wollen zum West Coast Trail, alle sind sehr ruhig in Erwartung der Dinge. Eine junge Schweizerin will auch mit nach Port Renfrew, vorsichtig fragt sie, ob sie mit kann, denn sie läuft nicht den West Coast Trail.

Der Bus fährt über 2 Stunden auf einsamen Straßen bis zum Fischerdorf Port Renfrew. Dann nochmal einige Kilometer zum Trailhead am Gordon River. Hier gibt es nur ein kleines Infocenter und das Indianer-Reservat mit ca. 10 Häusern. Gegen 12.00 Uhr sind wir im Infocenter und holen uns das Permit. Lori die Rangerin warnt uns vor Bären und gibt uns noch viele Tips zum Weg mit, besondere Beachtung gilt der Tide-Tabelle, ohne die richtige Handhabung könnte man von der Flut überrascht werden. Es kommen ein paar junge Leute die den Trail gerade beendet haben, mit Matsch verschmiert, gut gelaunt, zufrieden.

Rucksack-Küche

Zelt aufbauen am Strand, es nennt sich Campingplatz, von einigen Indianern verwaltet, aber außer einem Wasserhahn und ein paar Toilettencontainern ist da nichts. Wir sitzen bei Cola-Whisky auf Treibholz und beobachten das Meer. Wir hatten uns einen halben Liter Whisky für den Trail besorgt, aber sonderbarerweise ist er heute am Abend vor dem Start bereits alle. Naja, dann sparen wir wenigstens das Gewicht ein. Hunger, in dem kleinen Laden im Indianer-Reservat gibt es nichts außer Cola und Konservendosen. Wir essen unsere kalte Pizza mit weich gewordener Schokolade und beobachten kleine gelbe Schlangen, die wir hinter unserem Zelt entdeckt haben. Zum Abendessen gibt es erstmals Rucksack-Küche, Spaghetti mit Pfeffer und Käse, dazu Leitungswasser.

Wir sind bereits um 6.00 Uhr fit, Nebel ziehen über den Wald und die Bucht, sehr gespenstisch. Die einzigen Geräusche sind die Möwen und die Fischerboote auf dem Meer. In der Nacht ein bißchen Regen - geradeso, daß ich das Zelt naß einpacken muß. Frühstück, Müsli und Tee, bald ist alles im Rucksack verstaut und nach der Katzenwäsche geht es zum Bootsanleger.

16.August 9.00 Uhr , wir laufen zum Bootsanleger und lassen uns vom Indianer die ca. 200 Meter auf die andere Seite des Gordon Rivers bringen. Die beiden US-Boys, die mit uns im Boot saßen, sind bald nicht mehr zu sehen und so stehen wir nun am anderen Ufer und sind auf dem West Coast Trail.

Alles ist still, gleich von Anfang an geht es bergauf. Nach einer Stunde langsamen Gehens über Wurzeln, Steine, bergauf und bergab haben wir einen Kilometer geschafft, dann fängt es an zu regnen. Wir packen uns komplett mit Poncho ein, trotzdem werden wir naß durch Regen, Matsch und Schweiß. Es geht gleich richtig zur Sache durch Schlammpfützen bis zu den Knöcheln, dann wieder steile Auf- und Abstiege, erste Leitersysteme mit 30 bis 40 Stufen. Nach insgesamt 3 Stunden sind wir am Donkey Engine, einem rostigen alten Motor mit dem früher Bäume gezogen wurden, wir haben nun also 3 km geschafft. Der Regen hat wieder aufgehört, nach einer kurzen Pause mit Müsliriegel geht es weiter. Zum Glück hat es ab hier nicht geregnet und der Weg ist nicht mehr so glitschig. Wir haben bereits den Dreck bis über den Knien.

Pause beim Donkey-Engine

Nun wissen wir auch, warum alle Entgegenkommenden kurze Hosen anhaben – die Beine waschen sich leichter als die Hose! Endlich bei km 5 zweigt der Zugang zur Bucht am Trasher Cove ab. Wir haben die Ecke als unser Tagesziel gewählt, nun müssen wir aber noch ca. 1 km durch einige Quertäler bergauf und bergab, über Wurzeln und lange Leitern absteigen bis zum Strand. Der Weg zieht sich ewig hin und wir sind gefordert bis zum Schluß, mehr könnten wir heute nicht mehr schaffen.

Mit einem Jubelschrei stehen wir um 14.00 Uhr unten im Sand. Das waren heute also 6 km in 5 Stunden, ein durchschnittlicher Wert für die erste Etappe, wie wir von der Rangerin noch wissen. Am Strand stellen wir schnell in einer ruhigen Ecke zwischen Treibholz unser Zelt auf. Ich gehe ein Stück weiter zwischen den riesigen Stämmen bis ich am Waldrand ein Rinnsal sehe – der Hobbs Creek. Es hat in diesem Sommer nicht viel geregnet und so sind die Bäche nur sehr klein. Erstmal müssen wir unser Trinkwasser filtern. Aufgrund der Gefahr einer bakteriologischen Verseuchung, die in der Wildnis oft vorkommt, wollen wir auf Nummer Sicher gehen. Der Durst ist größer als die Geschwindigkeit des Wasserfilters und erst nach einiger Zeit haben wir einen weiteren Liter Wasser um unser Mittagessen zu kochen. Nachdem alle Kleidung zum Trocknen ausgelegt und gesäubert ist, liegen wir am Strand. Es sind insgesamt 12 Personen in der Bucht, davon sind 8 (!) aus Deutschland und der Rest aus Vancouver. Es ist auch wieder der Vater mit seinen erwachsenen Söhnen aus Rüsselsheim da. Der West Coast Trail scheint bei uns zuhause immer beliebter zu werden.

Später machen wir unser erstes Lagerfeuer und backen auf einem heißen Stein Bannock, eine Art Fladenbrot nach Rezept der früheren Trapper, und essen es mit unserer Brombeermarmelade, super. Einige Zeit sitzen wir am Lagerfeuer und bald nach der Dämmerung sind wir bereits so müde, daß wir schlafen gehen.

Der Weg führt über einen Baumriesen

Um 5.00 Uhr wachen wir plötzlich auf, es regnet etwas, schnell werden die Schuhe im Vorzelt gesichert und wir schlafen weiter bis 7.15 Uhr. Leider ist das Zelt nun wieder naß, aber der Regen hat zum Glück bald wieder aufgehört, wir essen gemütlich unser Müsli mit frischen Kaffee (ein kleiner Luxus muß sein), danach wird zusammengepackt und um 9.00 Uhr stehen wir wieder vor der Leiter zum Trail. Eine anstrengende Stunde dauert es, bis wir wieder den Weg, den wir am Vorabend abgestiegen sind, zurück zum Haupttrail geschafft haben.

Der Regenwald ist so dicht, daß wir oft Menschen, die nur 100 Meter vor oder hinter uns sind weder hören noch sehen. Außer den Raben oder anderen Vögeln sind keine Geräusche zu hören. Die Bäume sind alle riesig und mit Moos bewachsen. Es ist kein Durchkommen auf den Boden, alles ist mit Farnen, Gestrüpp, auch Orchideen und uns unbekannten Blumen überwachsen. Eine Pflanze hat Blätter fast so groß wie eine Auto-Kühlerhaube. Es ist faszinierend durch diesen Märchenwald zu laufen, doch oft müssen wir so sehr auf unsere Schritte achten, daß wir einen Bären gar nicht gesehen hätten, selbst wenn er direkt neben uns gestanden wäre.

Nach weiteren 2 Stunden in leichten Regen haben wir wieder 2 km geschafft. Hier ist ein Beachaccess (Strandzugang). Nach einer kurzen Pause auf den Felsen bei Powerbar und Wasser beschließen wir mit den drei Hessen ab hier erstmalig ein Stück auf dem Schelf am Strand zu laufen. Es ist Ebbe und ein breiter Streifen des flachen Steinufers ist freigelegt. Außer einigen Pfützen und Rissen oder Löchern im Stein ist der Weg recht eben und sicher zu gehen.

Der Regen hat aufgehört und wir kommen sehr schnell voran. Da kommen wir zu einem Surge Channel (Tide Kanal) mit ca. 2,5 Metern Breite und 2 Metern Tiefe, in der Mitte ein Stein, aber alles sehr glitschig und ca. 1 m tiefes Wasser. Auf unserer Karte sehen wir, daß dieser Channel bei Tide unter 1.7 begehbar ist, wir haben jedoch gerade ca. 2.0. Wir sind ratlos, die Jungs wollen nicht einen km zurücklaufen, um am letzten Strandzugang wieder auf den Haupttrail hochzuklettern. Jan springt rüber auf die andere Seite, dann wird ein Seil gespannt, an dem wir uns rüber ziehen wollen. Beim ersten klappt es, aber Andrea rutscht aus und steht bis zur Hüfte im Wasser, sie hat noch mal Glück, außer den nassen Klamotten ist nichts passiert. Bald sind wir alle auf der anderen Seite. Oliver schmeißt die Rucksäcke nach und springt dann auch über die Engstelle. Andrea zieht sich schnell um und nun laufen wir wieder auf dem Schiefer-Schelf, viele kleine Tidepools mit bunten Seeanemonen, Krebsen und Kleingetier sehen aus wie Aquarien. Wir können uns nicht satt sehen.

Bald kommt wieder ein Hindernis, viele meterhohe Steinbrocken behindern den Weg zum nächsten Strandzugang. Wir kommen uns vor wie Kletterer in den Dolomiten und müssen uns dann auch noch an einem 10 Meter langen Seil über den lehmig-glitschigen Hang hochziehen. Nun wieder 2 km mit viel Matsch und schmalen Bretterwegen – genannt Boardwalks - auf dem Haupttrail, wir kommen nicht mehr so schnell voran. Leider sind die Boardwalks nur immer auf kurzen Stücken des Weges und bald laufen wir wieder durch die Matschlöcher und stolpern über Wurzeln. Am Triple Creek müssen wir erst mal Wasser pumpen, wir sind recht geschafft, da wir nichts mehr zum Trinken hatten. Danach weiter und endlich sehen wir die Gondel des Cable Cars - eine Box aus Metall für 2 Personen und 2 Rucksäcke wird an einem Seil über die Schlucht gezogen - beim Camper Creek unserem heutigen Tagesziel. Der Bach ist sehr klein und wir kommen ohne Anstrengung mit dem Cable Car und ohne nasse Schuhe durch.

Schnell Zelt aufstellen, Mittagessen kochen und ein Bad im Bach, - wir fühlen uns wieder als Menschen, sogar einige Wäsche können wir im Bach raus waschen. Zufrieden und wohlriechend sitzen wir am Meer zwischen den riesigen Treibholzstämmen und beobachten die Fischerboote. Es wird Zeit zum Abendessen, ich mache Kaiserschmarrn – eine Delikatesse mit Marmelade, nur noch Mandelsplitter fehlen uns. Ich habe es gerade ausgesprochen, da rutscht mir die Pfanne vom Kocher, der Kaiserschmarrn in den groben Sand und ich habe die Bescherung, alles knirscht zwischen den Zähnen. Diese Splitter wollten wir eigentlich nicht.

Am Abend sitzen wir wieder am Lagerfeuer. Da die Camper Bay recht voll ist, bestimmt 20 Zelte, teilen wir das Feuer mit den Hessen und Karl-Heinz aus Osnabrück. Er hat sich als Alleinreisender gleich den Jungs angeschlossen. Mit Erstaunen betrachten wir den Inhalt seiner Zeltküche: Tomaten, Salat, frische Paprika, frische Champignons und Zwiebeln, nicht zu vergessen der frische Kaffee. Sein Rucksack wog beim Start 35 kg, daß muß man erst mal tragen.

Abends hängen wir immer unsere Lebensmittel in einem wasserdichten Sack über den Ast eines Baumes zum Schutz vor "wilden" Tieren. Die Parkranger raten dazu die Lebensmittel in mindestens 2,5 Meter Höhe aufzuhängen, als Schutz vor den Bären. Aber aus Mangel an geeigneten Bäumen hängen die meisten ihre Sachen an einem schräg gestellten Treibholzstück gerade so auf, daß der Beutel vom Boden weg ist, als Schutz vor den Mäusen. Und hier hielten wir uns auch an das St. Florians-Prinzip: Weg von unserem eigenen Zelt, aber meist recht nahe am Zelt anderer – und die hängen ihren Beutel dann wieder in unserer Nähe auf. Wer sein Zelt am Waldrand hatte, konnte an viel besuchten Campgrounds am Morgen 5 – 10 Säcke über seinem Zelt bewundern.

Um 6.00 Uhr werden wir wieder wach, schnell ins Outhouse – eine Art Kompost-Plumpsklo am Waldrand, extra aufgestellt, damit die menschlichen Abfälle nicht irgendwo im Wald landen - bevor der Ansturm der anderen Camper losgeht. Nach Kaffee mit Müsli und dem üblichen Abbau des Lagers sind wir bereits um 8.15 Uhr auf dem Weg.

Ein kurzer, steiler Aufstieg, dann laufen wir in 2 Stunden 3 km – wir steigern uns – immer nur Matsch, Wurzeln und dann wieder Boardwalks, oft mehrere 100 Meter lang. Unser Gedanke dazu: God save the Boardwalks! Auf einer Brücke über den Sandstone Creek, ein toll ausgewaschenes steinernes Flußbett mit Pools und kleinem Wasserfall. Dann wieder 1 km Matsch bis Cullite Creek. Wir laufen durch den Wald, schwer bepackt, die Rucksäcke werden einfach nicht leichter, das Zelt ist jeden Morgen naß, 2 gewaschene Unterhosen und das Handtuch baumeln hinten am Rucksack zum Trocknen. Wir sehen schon crazy aus. Mehrmals rutschen wir aus, beim Fall rückwärts liegen wir wie Schildkröten im Dreck, die Wäsche sieht ja toll aus.

Nun das erste große Leitersystem, 240 Stufen runter zum Bach, wir können wieder auf das Cable Car verzichten und waten durch das Bachbett, auf der anderen Seite wieder 190 Stufen hoch. Danach wieder 2 km Matsch und Wurzeln und auch Boardwalks durch ein etwas lichteres Gelände. Hier war vor Jahrzehnten ein Waldbrand und es dauert noch lange, bis der Regenwald wieder in seiner alten Form zugewachsen ist. Es hat aber den Vorteil, daß wir auf den hier vorhandenen Bretterwegen in einem ordentlichen Tempo marschieren können. Ein stiller Wunsch kommt uns in den Sinn: Herr, laß die Boardwalks nicht vorüber gehen...

Auch das ist ein Teil des Weges

Nun wieder 150 Stufen abwärts, die Hängebrücke über den Logan Creek schwingt vor und zurück als wir langsam das schmale Band hoch über dem Bach betreten, nichts für zaghafte Naturen – und danach wieder 150 Stufen im Leitersystem nach oben. Wieder 3 km Matsch, Wurzeln und Boardwalks wir sind ziemlich ausgelaugt als wir gegen 14.30 Uhr den Strand am Walbram Creek erreichen.

Ein toller Campground, eine vorgelagerte Kies- und Sanddüne mit viel Treibholz, der Bach ist zu einem kleinen See erweitert und am Strand entlang fliegen Hunderte von Möwen und veranstalten ein Geschrei. Wir machen schnell unser Mittagessen, zum Glück gibt es Globetrotter Lunch – heißes Wasser rein, ziehen lassen und fertig ist das Nasi Goreng. Heute wieder ein schönes Bad im kalten Creek. Bisher sind wir noch die einzigen an dieser schönen Bucht, Andrea ist etwas beunruhigt. Lori, die Rangerin hatte vor "local Bears" bei Walbram Creek gewarnt. Aber nun kommen schon die nächsten, ein junges canadisches Ehepaar, Steve und Vicki, wir sind ihnen heute den ganzen Tag auf dem Trail begegnet, mal haben wir sie bei der Pause überholt, dann wieder sie uns. Wir teilen das Lagerfeuer mit ihnen. Die Amerikaner baden nur mit Badebekleidung, nun ist es wohl Schluß mit unserer Nacktbaderei im Creek. Vicki rasiert sich sogar die Beine bei der täglichen Wäsche am Bach. Die nächste Canadierin kommt, Sarah badet gleich in ihrer Wanderhose und T-Shirt. Sie hat kein Zelt, sondern nur eine Plane dabei und ihr Kocher ist eine Blechdose mit Deckel die sie in das Lagerfeuer stellt. Sie erzählt uns, daß ihre Freundin bei den Indianern an der Nitinat-Enge ausgestiegen ist, da sie sich bei einem Sturz am Rücken verletzt hat und nun macht Sarah den Trail alleine zuende.

Als Abendessen Bannock mit Knoblauch und Mousse au chocolat, ein schöner Strandspaziergang, danach sitzen wir am Strand zwischen Treibholz und beobachten den Sonnenuntergang über dem Meer. Heute sind wir nur ca. 10 Menschen an dieser herrlichen Ecke, gestern waren über 20 Zelte an der Camper Bay mit wenig Privatleben. Welch ein Unterschied, wir sind fast allein und reden noch lange mit den Canadiern. Wir haben heute viel Spaß und lachen noch im Zelt über jeden Blödsinn.

19. August, 4. Tag. Wir sind schon wieder um 6.00 Uhr wach, aufstehen, Frühstück machen wie üblich und das Lager abbauen und um 8.45 Uhr durchwaten wir die Bachmündung, um an diesem Tag auf dem Schiefer-Schelf den Weg zu beginnen. Bei Ebbe ist auf dem Schelf gut zu laufen, wir hüpfen über Pfützen und spielen mit kleinen Krebsen oder beobachten wieder das Treiben in den Tidepools. Wir kommen schnell voran, bis Bonilla Point 5 km in 2 Stunden, wir sehen Kraniche, Seeadler, Wale, Seeotter, Seelöwen und wieder hunderte von Möwen. Weiter bis Carmanah Creek wird es etwas beschwerlicher auf kiesigen Sand, dann eine lange Bucht mit feinem, festen Sand. Wir laufen wie auf Asphalt, die Wellen brechen an den Strand, jetzt fehlen nur noch die Surfer und Palmen für die Strandidylle. Wir sind nun knapp 9 km in insgesamt ca. 3 Stunden am Strand gelaufen. Es ist erstaunlich wie viele verschiedene Arten von Sand es gibt, grob und fein, fest und nachgiebig, dazu die Steinarten, Schiefer, Sandstein und granitartiger Untergrund. Auch auf der Strandetappe müssen wir auf unsere Schritte achten, zu leicht rutscht man auf einer dünnen Algenschicht aus.

Kurz vor Carmanah Creek

Punkt 12.00 Uhr sind wir bei Monique, der Halbindianerin die am Carmanah Point am Rande des Indianer-Reservats ihren Kiosk aufgeschlagen hat. Der Laden ist bereits eine Institution auf dem West Coast Trail, hier gibt es alles was das Herz begehrt. Wir essen einen Doppelcheeseburger mit einer Dose eiskaltem Bier, dazu frischen Kaffee und Schokoriegel und das alles in bequemen Stühlen unter einer Markise am Strand. Satt und zufrieden sitzen wir da, unterhalten uns mit zwei britischen Gentlemen ("wonderful - marvelous") mit fast 60 Jahren, die den Trail zusammen machen. Ich schreibe ein paar Postkarten, die Monique mit zur Post nimmt (es kommt einmal wöchentlich ein Boot, ansonsten wird alles zu Fuß über 10 km transportiert). Durch diesen schwierigen Lieferweg ist es kein Wunder, daß die Preise nicht ganz niedrig sind.

Nach dieser Mittagsruhe laufen wir um 14.15 Uhr weiter, es ist etwas beschwerlich wieder einen runden Tritt zu finden, die Pause war wohl zu lange. Es geht gleich ein Stück steil hinauf bis zum Carmanah Lighthouse. Wir tragen uns ins Gästebuch ein und beobachten vom tadellos geschnittenen Rasen aus die Seelöwen auf einem Felsen in der Bucht. Der Leuchtturm wirkt wie ausgestorben, strahlend weiß stehen die Gebäude einschließlich des Wohnhauses der Wärterfamilie auf einem Felsvorsprung.

Am Cribs Creek

Nun geht es weiter auf dem Innertrail bis Cribs Creek, eine schöne Bucht mit Bach, Unmengen von Treibholz und hunderten von Möwen, aber nichts los und wir wollen schließlich nicht als einzige hier die Nacht verbringen. Also weiter, der nächste interessante Platz ist Dare Beach, nochmal 5 km auf dem Innertrail entfernt. Wir laufen so unser Tempo auf dem Pfad durch das dichte Gestrüpp. Da plötzlich bei km 38 als der Weg bei einem Baum eine Biegung macht – 10 Meter vor uns ein Schwarzbär, direkt auf dem Trail. Andrea, die als erste geht, erschrickt, ich gucke schnell um die Ecke und sehe gerade noch wie der Bär sich umdreht und im Unterholz verschwindet. Nach drei Sekunden Schrecken rufen wir laut, damit er wirklich davonläuft und gehen dann schnell an der Stelle vorbei. Der Bär ist sicherlich mehr erschrocken als wir, so schnell wie er das Weite gesucht hat, aber sonderbarerweise haben wir auf dem nächsten Kilometer ein erstaunlich hohes Tempo und unterhalten uns in einer größeren Lautstärke als zuvor. Natürlich erzählen wir gleich den nächsten, die uns entgegenkommen von der Begegnung, aber niemand scheint beeindruckt zu sein.

Um 17.30 Uhr dann unser endgültiges Tagesziel, Dare Beach, eine weite Bucht mit einem tollen Sandstrand, breit wie in der Südsee mit puderfeinem Sand. Die Wellen brechen mit 1,5 Meter Höhe an den Strand. Wir bauen schnell unser Zelt auf. Auch hier sind wir wieder unter uns, die Hessen, die Briten, Steve und Vicki und wir beide, gerade mal 10 Personen.

Neben dem Trail ist an dieser Stelle am Waldrand ein kleines Blockhaus eines jungen Ehepaares, die den Flecken Land mitten im Nationalpark von einem privaten Besitzer gekauft haben und hier in nächster Zeit eine Art Hotel mit Vollpension aufziehen wollen. Sie nutzten eine Lücke im Gesetz, im Nationalpark gibt es noch vereinzelt Grundstücke, die die Regierung den früheren Besitzern nicht abgekauft hat. Momentan leben sie mit den kleinen Kindern im Zelt und bewirten die Wanderer im Blockhaus mit dem Namen "37 Mile Club" mit Hamburgern, Pommes frites, Frühstück und Dosenbier. Das erstaunlichste: Es gibt eine heiße Dusche. Dazu schleppt der Mann einige Eimer mit heißem Wasser auf das Dach, dort wird ein Behälter gefüllt und in einer abgetrennten Ecke hinter dem Haus kann das Duschen losgehen. Diese Annehmlichkeit kostet aber 5 $, wie fast alles andere auch, sogar das Leichtbier aus der Dose kostet 5 $, wir finden die Preise überhöht, da auch die besondere Atmosphäre, die bei Monique`s Kiosk herrscht hier fehlt. So hat die Ecke bei uns den Namen "5 $ Club" weg und wir beschließen, das Frühstück nicht hier einzunehmen.

Zufrieden sitzen wir am Strand, heute haben wir also insgesamt 16 km in 7 Stunden geschafft. Wie um uns für den langen Tag zu belohnen, sehen wir am Horizont die Atemfontänen von einigen Walen. Welch ein wunderschönes Stück Erde. Steve macht ein besonders großes Lagerfeuer und wir beobachten einen wunderschönen Sonnenuntergang am Ende der Bucht. Bis fast 22. 00 Uhr unterhalten wir uns mit Steve und Vicki, wir beschließen ab Morgen zusammen weiter zu laufen.

Am nächsten Morgen wie üblich sind wir um 6.00 Uhr wach, 6.30 Uhr aufstehen, Frühstück, 8.30 Uhr Abmarsch. Hier ist ein traumhafter Sonnentag mit blauen Himmel. Erst mal 1 km am Strand entlang, dann über die Hängebrücke am Cheewath River, gleich dahinter ist eine kleine Quelle wo wir unsere Wasservorräte auffüllen. Dare Beach hat den kleinen Nachteil, daß dort kein Bach mündet und der Cheewath River trägt den Beinamen "Urine Creek", da wollen wir lieber kein Wasser schöpfen.

Wir laufen dann bis gegen 11.00 Uhr oberhalb der Steilklippen oder durch den Wald über viele Boardwalks bis zur Nitinat Narrow, eine ca. 150 Meter breite Engstelle mit Gezeiteneinfluß. Hier ist ein Überqueren nur mit dem Fährboot des Indianers Carl möglich. Wir warten kurz, bis das Boot bereit ist, einige indianische Fischer aus der Umgebung unterhalten sich mit uns über die Lachsfischerei. Carl zieht aus einer Tonne einen Lachs mit ca. 1 Meter Länge raus und fragt, ob wir welchen kaufen wollen. Das ist uns nun zu unhandlich und außerdem wollen wir kein Bärenfutter mitschleppen und so lehnen wir ab.

Nach einer kurzen Überfahrt sind wir auf der anderen Seite. Es geht wieder bergauf auf dem Trail, wir laufen bis Tsusiat Point immer ca. 50 Meter über der Steilküste an den Klippen. Heute früh hat das Wetter umgeschlagen, schon den ganzen Tag ist Nebel über dem Meer, die Schwaden wandern hoch zu uns zum Trail, wir sind allerdings manchmal von der Sonne umgeben. Es ist sehr still und wir hören ab und zu ein Nebelhorn in der Ferne. Das ist also die Witterung, die diesen Teil der Westküste für die großen Schiffe so gefährlich macht und der Ecke den Namen "Graveyard of the Pacific" – "Friedhof des Pazifiks" eingebracht hat. In dem dichten Nebel verloren viele Kapitäne die Orientierung und sind auf Grund gelaufen.

Unsere Ankunft bei den Tsusiat Falls

Ab Tsusiat Point geht es nochmal für einen Kilometer auf dem Strand, sehr beschwerlich im lockeren Kies und so freuen wir uns, als wir nach dieser anstrengenden Tagesetappe gegen 14.30 Uhr die Wasserfälle von Tsusiat Falls sehen. Heute haben wir 12 km in 6 Stunden geschafft. Obwohl der Weg kaum Matsch hatte und nicht mehr so steil war, sind wir auch heute froh das Zelt aufstellen zu können.

Nach unserem schnellen Mittagessen gehen wir erst mal unter die Wasserfälle für eine erfrischende Dusche. Das Wasser prasselt aus ca. 8 Metern Höhe auf uns herunter und wir wollen gar nicht mehr aus den Wasserfällen. Die kleine Bucht mit den Zelten war schon die ganze Zeit in der Sonne, aber plötzlich zieht der Nebel weg, wir sehen kleine Steininseln vor der Küste und Klippen rechts und links vor der Bucht. Wir dösen im warmen Sand vor unserem Zelt. Hunderte von Möwen fliegen über die Bucht und sind wahrscheinlich entrüstet, daß die Menschen sie vom Bach und den Wasserfällen vertrieben haben. Es sind nun fast 20 Zelte rund um uns, hier ist wieder einer der beliebtesten Plätze auf dem Trail.

Heute muß ich erst mal meine Füße verarzten, ich habe nun 2 Blasen am rechten Fuß und Druckstellen an den kleinen Zehen, aber die Lauferei mit dem schweren Rucksack geht sehr angenehm, ich fühle mich fast schon wie eine Maschine. Die Anstrengung macht uns wenig aus und wir haben tagsüber Zeit auch mal die Naturschönheiten zu bewundern.

Nachdem wir schon den ganzen Tag mit Steve und Vicki unterwegs waren, kümmert er sich heute wieder um unser Lagerfeuer. Wir backen wieder Knoblauch-Brot mit gebratenen Speck, es ist so reichlich, daß wir Steve mit versorgen, dafür verwöhnt uns Vicki mit heißem Kakao. Herrlich, wir sitzen am Lagerfeuer und reden über deutsche und canadische Lebensart. Die englische Sprache kommt uns schon so flüssig über die Lippen, daß wir auch untereinander nur englisch reden, damit Steve und Vicki wissen worum es geht.

21. August, 6. Tag. In der Nacht hat es mal wieder etwas geregnet, gerade so, daß ich ein nasses Zelt einpacken muß. Wir stehen um 7.30 Uhr auf, Frühstück, Lager abbauen um 9.00 Uhr Start. Die Leitern hoch zum Innertrail, nach einem kurzen Stück im Wald runter aufs Schelf, bis zum rostigen Anker eines vor Jahrzehnten verunglückten Schiffes. Bald sind wir am Klanawa River - ein breiter Fluß, nur zu überqueren mit dem Cable Car. Wir freuen uns endlich mal auf eine Fahrt, bisher waren die Creeks so seicht, daß wir immer auf die Fahrt verzichten konnten. Hoch auf den kleinen Turm mit dem Startpunkt, wir ziehen uns die Gondel aus Metall ran und packen unsere beiden Rucksäcke rein. Steve und Vicky werden mit dem Fotoapparaten postiert - dann steigen wir ein und in einer rasanten Fahrt geht es Richtung Flußmitte. In der Begeisterung haben wir gar nicht bemerkt, daß die Metallsitzbleche voller Wasser waren - unsere dünnen Shorts sind naß bis auf die Haut - was solls. Ein bischen ziehen und wir sind an der anderen Seite auf der Plattform - das war ein toller Spaß. Nach einer weiteren Stunde eine kleine Pause am Strand - Steve kocht schnell Nudelsuppe zur Pause, wir sitzen wie üblich vormittags an unseren Powerbars (It tastes good !–man muß nur daran glauben!). Danach wieder hoch zum Innertrail und die letzten 2 km wieder am Beach auf teilweise unangenehmen Kies. Heute war es den ganzen Tag bewölkt, etwas windig, aber nicht kalt.

Blick von den Klippen

Ohne Probleme kommen wir gegen 15.00 Uhr am Michigan Creek an. Das waren heute 12 km in 6 Stunden. Hier ist vor der Bachmündung eine große Schelfschicht vorgelagert und wir können an den Steinen die Entwicklung der Flut beobachten. Wir sitzen am Strand, ich schnitze an einem Stück Treibholz und entspanne mich, komischerweise hat mich die Strecke heute besonders geschafft, dabei heißt es immer: Die letzten Tage sind in dieser Richtung ganz einfach, das ist aber nicht ganz richtig. Der Trail hat uns bis zum Schluß - It is still the West Coast Trail.

Abendessen mit Tee und Mousse au chocolat, zwei Yuppies aus Villingen sind mit an unserem Feuer. Als wir merken, daß sie nicht gut vorbereitet sind, ärgern wir sie etwas und machen Ihnen Angst mit den Bakterien und anderen Kleinigkeiten. Schade um das tolle Erlebnis, wenn die beiden es nur mal so eben abhaken wollen. Es fehlt die mentale Beschäftigung mit dem ganzen Thema. Wir sitzen noch lange am Feuer im großen Kreis und schlafen wieder bestens in unserem Zelt.

Sonne an der Küste - Nebel über dem Meer

22. August. 7.30 Uhr aufstehen, zum Frühstück gibt es heute Pancakes mit Marmelade (das Müsli ist ausgegangen) und Kaffee wie üblich, fertigmachen und um 8.45 Uhr sind wir unterwegs. Nach 2 km kommen wir zum Pachena Lighthouse, wieder sehr gepflegt, alles ist leuchtend weiß gepinselt. Niemand zu sehen. Danach kommt der Aussichtspunkt am Seelöwenfelsen – aber die Tiere sind wohl gerade schwimmen gegangen, wir sehen nichts. Und ab hier nur noch der Weg durch den Wald ohne Orientierungspunkte. Wir gehen heute recht schnell, daß Ziel vor Augen spornt an. Bei km 6 sitzt ein Indianer der Huu-ya-at-Band. Er verlangt 20 $ für das "Visa" durch das Land, da die Regierung zur Gestaltung des Nationalparks das Reservat enteignet hat und sich trotz einigen Gerichtsbeschlüssen immer noch weigert die Indianer zu entschädigen. Wir unterhalten uns mit ihm und geben dann die 20 $ für uns beide zusammen.

Jetzt also noch 6 km bis zum Ziel, der Weg zieht sich sehr dahin. Je näher wir an das Ziel kommen, desto frischer sind die entgegenkommenden Wanderer. Wir riechen förmlich die Sauberkeit der Menschen. Dann endlich um 12.15 Uhr kommt die Lichtung mit dem Trailhead ins Blickfeld - we finished, geschafft! Wir freuen uns und gehen erst mal zum telefonieren, zurückmelden in der Heimat, nachdem unsere Lieben nun seit 8 Tagen nicht von uns gehört haben. Danach im Büro ausregistrieren, Steve und Vicki müssen gleich weiter nach Bamfield um das Boot nach Port Renfrew nicht zu verpassen. Ein kurzer Abschied nach der langen Zeit zusammen.

Nun sitzen wir sehr ruhig auf der Wiese, das Ziel ist erreicht, die Aufgabe gelöst, ein bisschen Heimweh nach der Familie, plötzlich ist im Kopf wieder Platz für den Alltag. Aber die Zeit auf dem West Coast Trail hat auch zum Nachdenken angeregt. So viele verschiedene Menschen machen sich auf den Weg, junge Sportliche, viele Mädels in kleinen Gruppen, ältere Paare, Mutter und Tochter, ganze Familien. Manche sind mit Hitech ausgerüstet, andere tragen nur die einfachsten Dinge mit sich. Es ist ein Weg für jeden Typ von Mensch, es braucht keine übergroße Kraft, nur gute Kondition und einen festen Willen. Und der Umgang mit diesen vielen Menschen bringt auch Toleranz mit anderen mit sich. Wir haben sehr viel auch über die Lebensweise anderer Menschen erfahren.

Nach dem Mittagessen gehen wir auf den Campground der Indianer an der Pachena Bay, ein wunderschöner Platz an einer tollen Bucht. Lange und ausgiebig nutzen wir die modernen Duschen, welch ein Luxus. Gegen 17.00 Uhr fahren wir mit dem Sammeltaxi die 5 km über Schotterstraßen nach Bamfield, einem kleinen Fischerdorf am Inlet, einen langen Fjord der fast 100 km bis nach Port Alberni führt. Im Sammeltaxi ein Werbespruch für die Duschen im örtlichen Motel " You don’t think you smell, but you do!" – Na zum Glück sind wir bereits geduscht.

Wir sitzen im Pub "Hook & Web" essen das "daily special" Roastbeef mit Kartoffelbrei, Broccoli und Salat für 9,95$ dazu 3 Gläser dunkles Bier. Das ist eine tolle Rückkehr in die Zivilisation. Wir beobachten die Leute. Hier trifft sich alles, Sportfischer, Forstarbeiter, Indianer, Studenten als Baumpflanzer, West Coast Trailer und dazu gute Musik. Nachdem wir im Store kurz eingekauft haben, Cola, Kekse fürs Frühstück und Schokoriegel (alles was wir die letzten Tage nicht hatten) gehen wir noch an den Pier und beobachten die Boote und das bunte Treiben. Neben uns ein Indianer im Auto, wir unterhalten uns lange und schließlich bietet Oscar an, uns mit zum Campground zu nehmen. Wir freuen uns über die Mitfahrgelegenheit. Er ist so stolz auf seine Heimat und die Region, daß er uns erst noch alles zeigt, die Schule, das Marineinstitut und sein Dorf mit den Häusern der ganzen Familie. Oscar ist in seiner Sippe einer der Führer, ein gebildeter und vornehmer Indianer, so gar nicht das Klischee, daß man von den Reservatsbewohnern hat.

Wir gehen später noch etwas an den Strand, es ist gerade Ebbe und das Wasser ist fast 500 Meter. zurückgewichen. In dieser Nacht ist es sehr ruhig, auf dem Trail waren wir oft direkt neben der Brandung und es war entsprechend laut.

Am nächsten Tag fahren wir wieder nach Bamfield, mit dem Wassertaxi lassen wir uns nach West Bamfield, der anderen Hälfte des Ortes bringen. Dort gibt es kaum Autos und Straßen. Alles Leben findet am Boardwalk, einem hölzernen Steg über dem Ufer statt. Wir sitzen lange da und beobachten die Boote, die Menschen und die Möwen. Wir genießen das ruhige Leben und lassen uns von der Sonne wärmen. Dann wieder zurück auf die andere Seite und ab ins Pub. Fish and Chips gelten als die große Spezialität in der Gegend. Vancouver Island ist eben doch britisch beeinflußt. Wieder eine tolle Vielzahl von Menschen im Pub, es macht Freude hier einfach nur zu beobachten. Dann wieder zurück zum Campground, wir sitzen am Strand, sammeln Muscheln und lassen es uns gutgehen. Abends ein Lagerfeuer aus Treibholz, unsere letzte Nacht am Pazifik.

In der Früh wird dann alles in die Rucksäcke verstaut und es geht zurück nach Bamfield, nach dem Mittagessen im Pub (Heilbut-Burger – nach so einer Spezialität macht man einen Bogen um jeden McDonalds und Co.) kommt auch schon unser Shuttle-Bus nach Victoria.

Um 13.30 Uhr Abfahrt, wir fahren 2 Stunden lang über Schotterstraßen nach Port Alberni. Dort ein kurzer Stopp an der Tankstelle zum Frischmachen und Tanken. Danach springt das Bus nicht mehr an. Bob der Fahrer probiert vieles aus, rollt dann zu einer Werkstatt und nach endlosen 2 Stunden teilt er uns mit, Benzinpumpe hinüber, sein Boss holt uns ab. Es wird aber 20.00 Uhr bis der mit einer Limousine da ist. Wir hängen stundenlang an der Tankstelle und in einem Fastfood-Lokal rum. Dann endlich um 20.30 Uhr fährt eine weiße Cadillac Stretched Limousine vor. Es ist schon was besonderes die Strecke über 3 Stunden in dem Luxuswagen zu fahren. Wir unterhalten uns bestens mit den Mitreisenden. Bis wir gegen 23.00 Uhr in Victoria ankommen, haben wir alle sehr gut kennengelernt. Kevin fährt uns mit dem Cadillac direkt vor das Bed & Breakfast, schade daß uns keiner sieht. Glücklicherweise haben wir angerufen und so ist ein Schlüssel für uns hinterlegt, sonst müßten wir im Zelt im Vorgarten schlafen.

Das Frühstück ist wieder, wie bereits bei unserem ersten Besuch hier ein Gedicht. Danach treffen wir uns mit Joan einer alten Dame, die früher bei Andrea’s Eltern in Rastatt in Untermiete war und in der kanadischen Base als Lehrerin gearbeitet hat. Wir machen mit Ihr einen Ausflug nach Chemainus, einem Ort ca. 100 km nördlich, daß durch die vielen riesigen Wandgemälde genannt Murals bekannt geworden ist. Nachdem im Ort die Holzindustrie nachgelassen hat, ist dies eine Art Touristen anzulocken – und es funktioniert, die Japaner sind busweise unterwegs.

Viel wird mit Joan über alte Zeiten und die Familie gesprochen, die sympathische Rentnerin erzählt, was sie so alles macht. Zum Essen gehen wir wieder in Victoria ins Seafood-Lokal zum Fish&Chips essen. Wir bekommen jedesmal ein gutes und preisgünstiges Essen. Die Service-Mitarbeiter in Kanada sind mehr dienstleistungsbezogen als bei uns, schließlich leben sie vom Trinkgeld, und das Preisniveau ist auch etwas niedriger als in Deutschland. Der Tag vergeht im Fluge und bald ist es Abend. Wir verabschieden uns von Joan. Danach gehen wir noch auf ein Glas in ein Pub in der Innenstadt, wo sich die jüngere und ältere Jugend der Gegend trifft. In einer sehr englischen Atmosphäre genießen wir unser dunkles Bier.

Am nächsten Morgen wieder unser tolles Frühstück, noch ein Spaziergang zum Thunderbird Park und zur Fischerman’s Wharf und nach dem Mittagessen (Halibut Burger – wenn wir schon im Hafen sind) müssen wir bereits unsere Rucksäcke nehmen und es geht zum Busdepot. Wir fahren wie bereits auf der Anreise mit dem PCL-Bus und der Fähre nach Vancouver. Auch diesmal ist schönes Wetter, windig aber leider keine Orcas. Bald sind wir um 17.00 Uhr am Airport, können sogar schon einchecken und nach einer langen Wartezeit geht endlich mit einer Stunde Verspätung um 22.00 Uhr der Flug in Richtung Heimat los. Wir sitzen wieder wie die Heringe. Das Essen ist lauwarm, der Wein hat die gleiche Temperatur – das ist nun mal so im Billigcharter. Aber wir können etwas schlafen und bald sind wir nach einer Zwischenlandung in Amsterdam wieder am Airport in Frankfurt. Nach einer Stunde bringt uns der Zubringerbus zurück nach Baden-Baden, wo schon die ganze Familie auf uns wartet. Die Heimat hat uns wieder. Lange noch erzählen wir in dieser Nacht.

Irgendwie ist der Jetlag auch schon überwunden als ich um 9.00 Uhr aufwache. Nach dem Frühstück hält es mich nicht mehr lange bei meinen Freunden, ich will heim zu meiner Familie. Nach 3 Stunden Fahrt bin ich gegen Mittag zuhause und es gibt auch hier eine große Wiedersehensfreude.

Es war eine einmalige und wunderschöne Tour, die wir hier gemacht haben. Wir haben uns die ganze Zeit gut verstanden und wir werden von den gemeinsamen, tollen Erlebnissen sicher noch lange zehren. Es bleibt auch bestimmt etwas für immer hängen, von dem Gefühl den West Coast Trail bewältigt zu haben.

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