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Kleiner Klöppelclub Beilngries

Ausstellung im Kotterhof Böhmfeld
Hofstetter Straße 3

28. und 29. Mai 2005

   

Was? Sie denken beim Wort "Spitze" an altmodische Spitzenkrägen? An bleiche Fräuleins, die mit spitzenbesetzten Taschentüchern winken? An dunkle Bauernhäuser mit Rüschen an Bettwäsche und Vorhängen? Na ‑ also, ist das nicht ein bisschen spitzfindig?

Rein technisch gesehen sind Spitzen netzartig gemusterte, kunstvolle Textilprodukte aus Leinen, Seide, Baumwolle oder Metall, die von Hand oder maschinell hergestellt werden, Die bekannteste Technik ist das Klöppeln, wo auf Holzspulen (Klöppeln) aufgewickelte Fäden um Nadeln gedreht und gekreuzt werden, die nach einem vorgezeichneten Muster gesteckt sind.

1476 erstmals in der Literatur erwähnt, breitete sich die Klöppelspitze von Italien her in ganz Europa aus und wurde unter Adligen zu einem exklusiven Schmuck vor allem für Kleidung und Hauswäsche. Oft waren es auch Klöster, die dieses alte Kunsthandwerk bewahrten und weiterführten. Interessanterweise entwickelte jede Region das ursprüngliche Verfahren auf ihre eigene Weise weiter, was dazu führte, dass viele unterschiedliche Techniken des Klöppelns entstanden. Namen wie Brüsseler Spitze, Malteser Spitze, Genueser Spitze, ungarische Spitze oder Chantilly-Spitze belegen dies.

Der Kleine Klöppelclub Beilngries ist eine Gruppe von 8 Frauen aus der Region, die sich seit mehreren Jahren einmal pro Monat trifft. Der Club ist aus einem VHS-Klöppel-Kurs unter der Leitung von Brigitte Kern, Mitglied der Vorstandschaft des Deutschen Klöppelverbandes e.V., hervorgegangen. Wenn sich der Kleine Klöppelclub trifft, wird nicht nur geklöppelt, sondern man hilft sich gegenseitig weiter, tauscht Muster oder Ideen aus und fachsimpelt über die neuesten Techniken.

Ausgestellt werden Arbeiten des Kleinen Klöppelclubs BeiIngries in unterschiedlichsten Techniken und vielfältigsten Formen. Zu sehen sein werden auch Werke der Kursleiterin Brigitte Kern. Lydia Lange, ebenfalls VHS-Kursleiterin, und Thekla Pschorrer, Clubmitglied, zeigen Werke in Klosterarbeitstechnik und Metallspitzen. Alte Klöppel und Spitzen aus Privatbesitz runden die Ausstellung ab. Außerdem kann man den Clubmitgliedern beim Schauklöppeln über die Schulter sehen und erfährt auf diese Weise das ein oder andere über die Geschichte und Technik des Klöppelns. Für Interessierte bietet Ingrid Schleicher eine kleine Auswahl an Klöppelbedarf an.

 

Spitzenkostbarkeiten aus Gold, Silber und Seide machten den Kotterhof zum Schatzkästchen

Viele Besucher gingen staunend durch die Ausstellung des Kleinen Klöppelclubs Beilngries

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Aufmerksam lauschten die Vernissagegäste mit Bürgermeister Alfred Ostermeier (re.) den Ausführungen von Renate Schödl (2. v. re.) zur Geschichte des Klöppelns.

Böhmfeld (sdr, 28.05.05) "Für mich ist es unvorstellbar, dass man so filigrane Sachen mit der Hand herstellen kann. Diese hervorragende Handarbeitskunst für weltliche und religiöse Zwecke darf nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass sie auch in der Region gepflegt wird." Große Bewunderung zollte Bürgermeister Alfred Ostermeier den Frauen des Kleinen Klöppelclubs Beilngries, die sich vor mehreren Jahren bei einem Klöppelkurs an der Volkshochschule Beilngries zusammenfanden, sich seitdem einmal im Monat zum Klöppeln und zum Erfahrungsaustausch treffen und kürzlich im Kotterhof in Böhmfeld erstmals ihre selbst geschaffenen Kostbarkeiten aus Baumwolle, Leinen, Seide, und Metallfäden unter dem Motto "Spitzfindigkeiten ..." der Öffentlichkeit präsentierten.

Töpferarbeiten von Christa Hutzel (Böhmfeld) und geschmackvolle floristische Kreationen von Anita Rauer (Böhmfeld) waren ebenfalls zu bewundern. Als zusätzliches Schmankerl bei der Ausstellungseröffnung bot der Elternbeirat des katholischen Kindergartens Sankt Marien im Kotterhofstadel Kuchen und Getränke an. Die festliche musikalische Umrahmung der Vernissage gestalteten mit Kompositionen von Johann Sebastian Bach die Böhmfelder Querflötistinnen Marion Netter und Ann-Kathrin Weyer sowie Joachim Stadlbauer am Klavier.

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Das Böhmfelder Wappen in Klöppeltechnik: Sichtlich erfreut war Bürgermeister Alfred Ostermeier über das Geschenk der Böhmfelder Hobbyklöpplerin Renate Schödl anlässlich der Ausstellungseröffnung.

Hobbyklöpplerin Renate Schödl (Böhmfeld) führte die Vernissagegäste in die Geschichte des Klöppelns ein. Erstmalig erwähnt habe man das Klöppeln im Jahre 1476, berichtete sie. Es begann mit adretten gezackten und runden Kanten sowie mit Besatzspitzen zur Befestigung der Ränder gewebter Stoffe. Später gesellte sich die aufwändige und teure Nadelspitze hinzu, die sich nur betuchte Leute leisten konnten. Erschwinglicher für die breite Bevölkerungsschicht sei die aus Leinengarn gefertigte, waschbare Flechtspitze für Haushalts- und Tischwäsche gewesen, eine neue Technik des Klöppelns, die heute noch gebräuchlich sei, ließ Schödl wissen. Als Grundtechnik betrachte man das ständig sich wiederholende Drehen und Kreuzen von Einzelfäden. Dies ergebe einen stabilen Effekt. Die Spitzen werden benannt nach den Werkzeugen Nadeln oder Klöppel, mit denen sie hergestellt werden, sowie nach den Stilrichtungen in verschiedenen Regionen. Berühmtheiten sind die Brüsseler, die Malteser, die Genueser, die ungarische und die Chantilly-Spitze.

In der Frühzeit dominierten geometrische Muster, gefolgt von floralen Gebilden und Blütengirlanden in Bänderspitzen. Schließlich gefielen geklöppelte Netze als Hintergrund für die fantasievollen Motive. Bei der Weltausstellung in London anno 1862 erschienen Klöppelspitzen in der so genannten dritten Dimension. Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich die Mode, und Kleidung mit Spitzen war verpönt. Erst im Jahr 1874 feierte die Klöppelspitze auf der Weltausstellung ein großes Comeback. Um 1877 gründete man in Schneeberg die königlich sächsische Spitzenklöppelschule und kreierte eine eigene Stilrichtung, die "Schneeberger Spitze", die mit keiner Maschine herzustellen ist. Bis zu 40.000 Heimarbeiterinnen waren um 1900 im Erzgebirge und in Österreich mit Klöppelarbeiten beschäftigt. 1919 richtete man in Abenberg bei Roth in Mittelfranken eine Klöppelschule ein. Auf dem Herstellungsprogramm standen damals schon Spitzen aus Metallfäden. Heute befindet sich in Abenberg ein Klöppelmuseum. Da das Klöppeln immer mehr Anhänger fand, gründete sich 1984 der Deutsche Klöppelverband. In drei Jahren werde in Neumarkt wieder ein Klöppelkongress, eine Fachmesse für Klöpplerinnen und Klöppler und solche, die es werden wollen, stattfinden, kündigte Renate Schödl an.

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"Jede Fixiernadel hat ihren bestimmten Platz!" Auch Bürgermeister Alfred Ostermeier mit Frau Jutta (re.) zeigte beim Schauklöppeln großes Interesse.

Fasziniert waren die Besucher der zweitägigen Ausstellung von der Vielfalt der künstlerisch hochwertigen Objekte. Zu bewundern waren unter anderem Deckchen im Schneeberger und Hardanger Stil, Kissenbezüge nach Erzgebirgischer Art, Tischläufer in Durchbrucharbeit, Mureschka-, Occhi-, Bänder-, Torchon-, Cluny-, Klapper-, Flecht-, Kirchen- und Maschinenspitzen, zarte Klöppelgebilde für den Christbaum und den Osterstrauß sowie für die ganzjährige Wand- und Wohnungsdekoration, Ajour- und Kreuzstichstickerei. Eine Besonderheit war der von Renate Schödl geklöppelte Erzengel Michael in moderner Variante. Imposante Blickfänge waren der aus dem Jahr 1934 stammende, mit reicher Klöppelspitze geschmückte Primizrock des vor wenigen Jahren verstorbenen Böhmfelder Ehrenbürgers und langjährigen Pfarrers, Franz Xaver Federl, ein spitzenbesetzter weißer Chorrock, ein Tüllschleier mit Flechthäkelmuster, alte Häkel- und Klöppelspitzen sowie kostbare Leinenhandtücher mit Strickspitze aus dem Fundus der früheren Böhmfelder Kindergärtnerin Walburga Buchner.

"Klöppeln kann jeder lernen, der gerne handarbeitet. In meinen Kursen gibt es auch junge Männer", lachte Brigitte Kern, VHS-Kursleiterin und Mitglied des Deutschen Klöppelverbandes, beim Schauklöppeln im Ausstellungsraum ob der staunenden Gesichter der Zuschauer, als sie die Klöppel auf dem Klöppelsack um die Wette tanzen ließ. Die dünnsten verwendeten Fäden seien fein wie ein Kopfhaar, klärte die Klöppelmeisterin auf. Voraussetzung für das exakte Gelingen von Klöppelarbeiten sei aber das genaue Beachten der Klöppelbriefe.

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Filigrane Ornamente fertigt Lydia Lange bei ihren Klosterarbeiten.

"Schönarbeiten nennt man wegen ihrer Farben- und Formenpracht die Klosterarbeiten auch. Sie bestehen hauptsächlich aus echten Gold- und Silberfäden sowie aus farbigen Glasschliffsteinen", informierte im Gewölberaum Lydia Lange, VHS-Kursleiterin und Fachfrau für Klosterarbeiten in "Eder-Technik". Man dürfe nicht annehmen, dass Klosterarbeiten mit ihren vornehmlich christlichen Motiven nur von tiefgläubigen Menschen angefertigt werden. Was zähle sei die Leidenschaft für diese prunkvollen Raritäten und ihre besondere Herstellungsart, betonte Lange. Stolz zeigte sie ein kindhaftes Exemplar des weltweit verehrten "Prager Jesulein" im Prachtgewand mit Segenshand und Weltkugel, verschiedene Fatschnkindl, sorgsam gebettet und eingewickelt in handgeklöppelte Gold- und Silberspitzen, spitzenumflorte Haus- und Reisealtäre mit gleißendem Gold, Silber und Strass sowie ein festlich verziertes, aufklappbares Ei als Sinnbild für Fruchtbarkeit und Auferstehung.

Inmitten von Weihwasserkesseln im edlen Klosterarbeitsstil und Rosenkranzspitzen umfangenen Heiligen- und Hochzeitsbildern arbeiteten Monika Lindner und Thekla Pscherrer mit viel Geduld und Geschick an ihren eigenen Schöpfungen und boten so den Zuschauern Einblick in die Komplexität dieses außergewöhnlichen und verhältnismäßig selten praktizierten Kunsthandwerks.

 

(Text: A. Siebendritt; Fotos: adamo)

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Stand: 12. Juni 2005